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Offener Brief zur kulturellen Bildung in Berlin
Von Christian Höppner (Newsletter 32/2011 - Deutscher Musikrat)Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister,
die Situation der kulturellen Bildung in Berlin hat sich in den vergangenen zehn Jahren deutlich verschlechtert. So sehr die aktuelle Auseinandersetzung um den Weiterbau der A 100 im Vordergrund steht – die kulturelle Teilhabe für die Kinder und Jugendlichen ist bedeutsamer für die Entwicklung Berlins.
Ausfallender bzw. fachfremd erteilter Musikunterricht in der Schule, über 8.000 Kinder und Jugendliche auf den Wartelisten der öffentlichen Musikschulen, verrottende bzw. erst gar nicht vorhandene Fachräume, inakzeptable Rahmenbedingungen für die Menschen in den kulturvermittelnden Berufen und ein sich daraus bereits jetzt ergebender Fachkräftemangel sowie die Zunahme eines Prekariats in den künstlerischen und kulturpädagogischen Bereichen vereinbaren sich nicht mit dem Anspruch einer Kulturmetropole.
Berlin verstößt mit seiner derzeitigen Bildungs- und Kulturpolitik gegen den Geist der UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Kulturellen Vielfalt, indem es die Orte kultureller Erstbegegnungen marginalisiert. Der Schutz und die Förderung des kulturellen Erbes, der zeitgenössischen künstlerischen Ausdrucksformen einschließlich der bekannten Jugendkulturen und der Kulturen anderer Länder in unserer Stadt – die drei Grundsäulen der Konvention – lassen sich eben nicht nur über temporäre Events bewerkstelligen, sondern bedürfen der kontinuierlichen und qualifizierten Vermittlung gerade in den prägenden Entwicklungsjahren von Kindern und Jugendlichen.
Wenn kulturelle Teilhabe immer stärker zu einer Frage des Geldbeutels wird und Schule sowie die außerschulischen Bildungs- und Kultureinrichtungen ihren kulturellen Bildungsauftrag mangels Fachlehrkräften und Ausstattung immer weniger erfüllen können, bedarf es einer politischen Prioritätensetzung für die kulturelle Bildung. Die Beratungsergebnisse des Runden Tisches für die musikalische Bildung in Schule und Musikschule, die einvernehmlich von den Vertretern der im Abgeordnetenhaus vertretenden Parteien und den verschiedenen Akteuren der musikalischen Bildung im vergangenen Jahr vom Landesmusikrat Berlin vorgelegt wurden, sind eine Berufungs- und Handlungsgrundlage, die nicht nur für Sonntagsreden, sondern auch für Montagshandeln dienen sollte.
Bildung, Kultur sowie Wissenschaft/Forschung sind drei Berliner Großbaustellen, die für die Entwicklung Berlins von zentraler Bedeutung sind. Keines dieser Bereiche kann in der Senatskanzlei mitverwaltet werden. Deshalb gehören zu der geforderten politischen Prioritätensetzung für diese Kernbereiche einer lebenswerten Stadt auch eigenständige Ressorts auf Senatsebene. So notwendig deutlich höhere Investitionen in die kulturelle Bildung sind, so wichtig ist es, sich diesen Kernbereichen gesellschaftlicher Zukunftsgestaltung mit erkennbarer Empathie und Zuverlässigkeit zu widmen.
Sie stehen gemeinsam mit Ihrem künftigen Koalitionspartner in der Verantwortung, jedem Kind und Jugendlichen in Berlin den Zugang zu einem kontinuierlichen und qualifizierten kulturellen Bildungsangebot zu ermöglichen. Dazu bedarf es umfänglicher Investitionen für die Orte kultureller Erstbegegnungen wie Kindertagesstätten, Schulen und Musikschulen. Die Signalwirkung der kommenden Weichenstellungen reichen weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus.
Deshalb appelliere ich eindringlich an Sie, sich dieser Gesamtverantwortung für die kommende Regierungsperiode zu stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Höppner
Generalsekretär des Deutschen Musikrates
Vizepräsident des Europäischen Musikrates
7.10.2011 08:43
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